
Wie wirkt Licht auf mein Kind?
Unter welchem Licht lernen Schüler besser?
Schulen, die auf energiesparende Beleuchtungssysteme (d.h. LED) umstellen, bekommen vom Staat erhebliche Fördermittel, und von der Lichtindustrie werden die Möglichkeiten, mit Licht mit hohem Blaulichtanteil (im Fachjargon blue-enriched lighting genannt) eine Steigerung des Konzentrationsvermögens zu bewirken, kräftig beworben. Aber ist Konzentration wirklich der einzige Faktor, der für einen gesunden Lernvorgang notwendig ist? Und wieviel künstlich unterstütze Konzentration ist für Kinder tatsächlich gesund?
Denn der Blick auf das Licht in der Schule ist oft ein recht einseitiger. Es ist inzwischen durchaus bekannt, dass Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis verschiedenen Bedingungen unterstehen, und dass Menschen in verschiedenen Lebensaltern ein unterschiedliches Bedürfnis nach Helligkeit haben.
Der Frage, inwiefern die Qualität des Lichtes in der Schule Auswirkungen auf die Schüler und ihr Lernen hat, geht Dr. Uwe Geier von der WirkSensorik GmbH in einer längeren Studie nach. In ersten Versuchen an verschiedenen Schulen und Kindergärten hat er untersucht, welchen Effekt verschiedene Lichtarten auf so unterschiedliche Aufgaben wie Nacherzählung, Diktat (Rechtschreibung) und Malen haben können.
Die Studie ist inzwischen veröffentlicht und kann hier online eingesehen werden (in englischer Sprache)
Um sich von den geschilderten Phänomenen einen eigenen Eindruck zu verschaffen, bieten wir für Kollegien in Schulen und Kindergärten Wahrnehmungsschulungen an, bei denen die Teilnehmenden erleben können, wie die verschiedenen Kunstlichtarten auf die menschliche Konstitution wirken. Anfragen an Ulrike Wendt.

Licht in Schulen
Obwohl medizinische Studien auf Risiken für die Augengesundheit und das Schlafvermögen durch Licht mit einem hohen Blauanteil (blue-enriched lighting, siehe Medizin und Gesundheit) hinweisen, wird die LED in der Fachliteratur als zukunftsträchtige Lichtquelle für Schüler gehandelt.1
Dies liegt zum einen an dem bekannten Effekt, dass Helligkeit wachmacht. Und durch LEDs ist hohe Helligkeit mit geringem Energieverbrauch zu erreichen. Zum anderen ist dies auf den hohen Anteil an energiereichem Blaulicht in weißen LEDs zurückzuführen. Dieser Blaulichtanteil ist für die anregende Wirkung ausschlaggebend. Auch bei gleich hellen Lampen ist der Blaulichtanteil einer LED deutlich höher als bei einer Halogen- oder Glühlampe (siehe Lexikon Licht/Das Lichtspektrum).
Ein Extrembeispiel für das Experimentieren mit beiden Effekten
ist ein Hamburger Schulversuch, der vor einigen Jahren in Zusammenarbeit mit einem Lampenhersteller durchgeführt wurde.2
Die Lehrer sollten über die Regulierung von Helligkeit und Blaulichtanteil das Konzentrationsvermögen der Klasse steuern. Tatsächlich stieg die Lesegeschwindigkeit bei hohem Blaulichtanteil. Zugleich bewegten sich die Kinder viel mehr im Unterricht und der Spiegel des Stresshormons Cortisol stieg. Weil die Lehrer über das Licht immer höchste Konzentration von den Kindern erreichen wollten, wurde der Versuch abgebrochen: Die Eltern beschwerten sich über ihre aufgedrehten Kinder nach dem Unterricht.3
Ein jüngeres Beispiel für die Auswirkungen des Blaulichtfaktors im LED-Licht auf Schüler wird in der bereits genannten Studie von Oliver Keis und Kollegen beschrieben. Bei ca. 19jährigen (überwiegend männlichen) Berufsschülern wurde durch helles LED-Licht (5500 K – im Hamburger Schulversuch lag dieser Wert bei 12000 K!) tatsächlich Konzentration und kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit gegenüber dem Licht von Leuchtstoffröhren verbessert. Aber nicht alle Parameter verbesserten sich. Bei der Gedächtnisleistung gab es keine Unterschiede zur Vergleichsbeleuchtung. Nach ihrer Meinung zum Beleuchtung gefragt, bevorzugten die Schüler allerdings die alte Beleuchtung mit Leuchtstoffröhren. Die Versuche wurden in den frühen Morgenstunden gemacht. Die Autoren machen deutlich, dass auf die Anwendung von blauem Licht am Abend oder der Nacht verzichtet werden sollte, um Schlafstörungen zu vermeiden.
Ein Bericht, der gerne für die vermutete Vorteilhaftigkeit von LED in Schulen zitiert wird,
ist die vom Bildungsministerium geförderte Studie LED macht Schule. Es wurden darin 33 Schulen bei der Umstellung auf LED in Klassenzimmern begleitet. Die Schüler wurden nach der Umrüstung nach der Lichtsituation befragt, wobei die neue mit einer Schulnote besser bewertet wurde. Die vorherige Beleuchtung bestand überwiegend aus Leuchtstoffröhren, die zum Teil defekt oder verschmutzt waren. In einigen Schulen wurden zugleich Fenster, Böden, Heizung und Lüftung erneuert. Es lässt sich deshalb nicht trennen, inwieweit die Bewertung auf die Renovierung oder die Beleuchtung zurückzuführen ist.
Der bisherige Kenntnisstand wirft einige Fragen auf:
- Bisherige Vergleiche wurden bisher in der Regel zwischen LED und Leuchtstoffröhren gemacht. Welche Ergebnisse gibt es, wenn man die dem Tageslichtspektrum ähnlicheren Halogenglühlampen verwendet?
- Die konzentrationssteigernden Effekte durch einen hohen Blauanteil in der LED sind belegt. Aber wie wirkt dieser auf andere wichtige Fähigkeiten der Kinder, wie Phantasie oder Empathie? Darüber geben die bisherigen Studien keine Auskunft.
- Die Anregung durch energiereiches blaues Licht mag bei Jugendlichen zeitweise erwünscht sein. Aber ist dies auch von Grundschülern und im Kindergarten gewollt?
Vor diesem Hintergrund haben wir im letzten Jahr eine eigene Studie begonnen, die nicht nur kognitive Merkmale erfasst. Die ersten Ergebnisse deuten auf erhebliche Effekte von LEDs auf u.a. die Qualität der Bilder von Kindern. Als Vergleichsbeleuchtung dienten Glüh- und Halogenlampen.
Die Studie ist 2018 abgeschlossen geschlossen worden und wurde 2019 (in englischer Sprache) veröffentlicht:
www.rosejourn.com/index.php/rose/article/view/474
Hier finden Sie weiteres Material: einen Vorab-Artikel vom 2017 über Uwe Geiers Studie und unsere aktuellen Handlungsempfehlungen für Schulen, die bewusst mit Licht umgehen möchten:
1 Siehe z. B. die Studie von Oliver Keis und Kollegen. „Influence of blue-enriched classroom lighting on students׳ cognitive performance“. Die Kurzfassung in englischer Sprache ist hier zu lesen: www.sciencedirect.com zurück nach oben
2 Dabei wurde in einigen Schulen der Stadt Hamburg von der Firma Philips Lichtschaltanlagen mit einer dreifachen Schaltung eingerichtet und eine begleitende Studie am Universitätsklinikum Eppendorf durchgeführt. Die Ergebnisse sind im Internet nicht einzusehen. zurück nach oben
3 Dieser Versuch ist übrigens erfolgreich gerichtlich angefochten worden, wegen Manipulation und körperlicher Beeinträchtigung von Minderjährigen. Das wird aber bei den (mittlerweile kaum noch im Netz zu findenden) Berichten über die Versuche oft unterschlagen: www.voltimum.de/schulbeleuchtung-philips-hat-losung
oder – etwas ausgewogener dargestellt – : www.zeit.de/B-Schullicht.
Unter dem Stichwort „Dynamisches Licht“ werden auch heute noch entsprechende System für Schulen angeboten: www.lighting.philips.de/systeme/dynamic-lighting
Die gesamte Dokumentation zu den Hamburger Schulversuchen kann auf Nachfrage eingesehen werden.
Wo Licht im Menschen ist, scheint es aus ihm heraus.